Mindener Tageblatt
07.10.2004
"Ruder-Professor" taucht in Tragödien ein

Das neue Leben des Bessel-Protektors Heinz Lück nach der Pensionierung / "So lange man mich grüßt am Bootshaus"



Umgeben von Ruderbooten: Heinz Lück in seinem Metier - hier u.a. mit dem nach ihm benannten Vierer "Heino".
MT-Foto: Friedhelm Sölter


Von Friedhelm Sölter

Minden/Berlin (mt). Auf den ersten Blick war alles wie es 30 Jahre lang war - auf den zweiten alles ganz anders. Beim Bundesfinale des Schulsport-Wettbewerbs "Jugend trainiert für Olympia" in Berlin wurde Heinz Lück von der Betreuern anderer Schulen begrüßt wie seit 1975, als er erstmals die Bessel-Ruderer betreute.

Doch nach dem üblichen Hallo und dem bei dieser Spezies unvermeidlichen Blick zum Himmel verwies der seit den Sommerferien pensionierte Ex-Lehrer die Kollegen von den Landessieger-Schulen zwischen Kappeln und Überlingen in fachlichen Fragen mit ausgestrecktem Arm an seinen Nachfolger als Ruder-Protektor, Martin Meier.

Nach drei Jahrzehnten in der Verantwortung, in denen er 54 Boote bis ins Bundesfinale gebracht hatte und nur in ganz wenigen Jahren auf den Trip in die zunächst noch geteilte und spätere Bundeshaupt-Stadt verzichten musste, genoss der 63-Jährige die neuen Freiheiten j3jenseits der Verantwortung für bis zu 40 Schülerruderer. 13 Bundessieger kommen aus der "Kaderschmiede" Lücks an der Schachtschleuse. Insgesamt 31 Crews aus Bessel-Booten enterten am Wannsee und seit 1991 in Grünau die Medaillentreppchen.

Auch die Betreuer der ehemaligen DDR-Sportschulen werden Mühe haben, trotz deutlich besserer Bedingungen solche Bilanzen in der Zukunft zu erreichen, zumal sich aktuelle zeigte, dass die Spitze wieder breiter, westdeutschen Schulen wieder Boden gut gemacht haben.

Als Nachfolger des legendären Erich Domeier hatte Lück 1974 die Bessel-Ruderer unter seien Fittiche genommen, auch weil ihm, dem Fachlehrer, der "Hallensport nie gelegen" habe. Nach nicht ganz einfachen Anfängen mit damals rund 80 Schülerruderern gab es 1978 rund ums Bootshaus eine "kleine Revolution", als dort mit Einführung der Koedukation die ersten Mädchen auftauchten. Dass deren Einbindung dann allerdings doch recht schnell gelang, weisen die einfahrenen Erfolge aus.

Nach vielen Jahren "gesunder Rivalität" verbuchte der Mindener "Ruder-Professor" die neue Kooperation mit dem Herdergymnasium als letzten Meilenstein. Schüler beider "Anstalten" sitzen heute bei DRV.Regatten wie selbstverständlich in einem Boot, die Betreuer arbeiten mit den Jugendlichen ohne nach deren "Penne" zu fragen.
Fehlte beim Auftauchen der Mädchen die entsprechende Toilette, so platzt bei jetzt rund 130 (fast) täglich aktiven Schülerruderern des Bootshaus förmlich aus den Nähten. Auch die Bereitstellung konkurrenzfähiger Boote für alle Kandidaten sei nicht immer ganz einfach. Zwischen 16 und 20 Uhr herrsche auf dem Revier Hochbetrieb. Die Räumlichkeiten für das Wintertraining seien mehr als beengt.

Lösen müsse diese Problem allerdings die neue Generation in der Verantwortung. Er selbst rücke nunmehr in den Hintergrund, gebe gern Ratschläge wenn sie denn erwünscht seien und wolle Kontakte herstellen, wo immer er das könne. Und Martin Meier werde er gegen ungerechtfertigte Begehren "der Vereinsleute" zu schützen versuchen. Für den Winter hat er bereits einen Theoriekurs "Ruderphysik" angeregt.

"Ich bin so lange am Bootshaus, wie man mich dort noch kennt und grüßt", macht der unruhige Ruheständler deutlich. Das wird angesichts der von ihm immer forcierten Einbindung älterer und ehemaliger Schüler wohl noch lange anhalten. Und er schmunzelt darüber, dass er zuletzt die ersten Kinder seiner ersten Schülerruderer-Generation im Boot begrüßen konnte. Heute wie damals heißt sein Credo: ""Wir wollen den Schülern eine interessante, erstklassige Zeit im Boot, am Bootshaus und bei unseren Unternehmungen bieten, sie zugleich zu einem guten Abitur führen und ihre Persönlichkeit bilden helfen".

"Heino" Lück will die dennoch gewonnene neue Zeit zunächst in "Haus, Hof und Garten" nutzen, wo es einiges zu tun gebe. Ein neues Eintauchen in altgriechische Tragödien, die Ausweitung des französischen Wortschatzes, die Reaktivierung der Gitarre und die intensivere Befolgung privater Einladungen stehen dazu im neuen "Stundenplan" des Ex-Lehrers ganz oben. Vor allem aber der feste Vorsatz "Mensch zu bleiben".


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